Der Baal
Hoch oben mit dem Blick über die Lichter der Stadt
Sitze ich und träume euren Schlaf.
Unter dem orangegelben Flimmern
Spüre ich euren Träumen nach, die sich in der Schwärze
Des Weltenozeans wellengleich heben und senken.
Ihr Rauschen bricht sich wie Stöhnen an den schwarzen Mauern der Hinterhöfe.
Mit geschlossenen Augen sehe ich
Wie Positionslichter von Rot auf Grün und
Von Grün über Gelb wieder auf Rot springen.
Iteration um Iteration inmitten einer wogenden Masse.
Unter meinen weiten Händen halte ich euch ruhig.
Ich, der Baal, der Gott dieser Stadt. Dieser megalomanen Metropole.
Erschöpft kehren Erste aus der schlafenden Finsternis der Träume heim. Ankern und bringen ihren mageren Fang erschöpft von Bord, während sich das schmutzige Wasser der Nacht langsam der Ebbe ergibt.
Ein Lichtermeer glimmt hinter den blinden Scheiben der Wohnbunker wie Morgensterne auf.
Die Taktung der Perlenschnüre aus Weiß und Rot nimmt zwischen den Trabanten und dem Zentrum zu bis es kräftig und lebendig pulst.
Auf meinen breiten Händen werde ich Euch durch den kommenden Tag tragen.
Ich, der Baal, der Gott der Stadt. Dieses monströsen Molochs.
Bereitet Euch vor, werdet tagesfertig, pumpt Euer Leben in die Straßenschluchten der Betonwüsten, die ich Euch einst gebahr und bereist die Stunden über Blau und Grau und ins Technicolor. Ihr werdet dieser Stadt nicht entkommen, denn Ihr seid selbst diese Stadt, die ich Euch gab. Ihr lebt sie aus.
Bis dann mit dem Sonnenlauf die Schatten einmal gedreht haben und sich nun zu dehnen beginnen.
Eilt nun zurück, von wo ihr aufgebrochen seid und lasst in der Stadt das Tagewerk mit dem zurück, was ihr geschaffen habt.
Mit meinen grauen Händen der Dämmerung werde ich Euch wieder fassen, die Boote sanft auf die Wellen setzen und Euch ins Schlafen bringen.
Ich, der Baal, der Gott der Stadt, Euer einziger Lotse inmitten des schwarzen Ozeans der Träume.
Das, was ich von ihnen will
Unter den Dächern lauern Gedanken und werden Träume,
wenn niemand sie schnell genug unterbricht.
Mit einem Knarren im Gebälk, der Häuser leichtem Wanken
und Panik in Innenräumen träumt es sich nicht.
Und so lasse ich ab und an alles beben.
Lenke sie ab mit einer einfachen Show.
Ich schicke die Wehr und die Statiker ihnen.
Sie nehmen es dankbar und bleiben so.
Denn was würde ihnen ein Traum schon nützen?
Ich brauch sie hier, das wissen sie doch!
Und ölig glitzern Farben in dreckigen Pfützen
Auf ihrem Weg ins tägliche Joch.
Das Wenig Freude werd ich ihnen lassen.
Sie kennen mich nicht, doch gehorchen still.
Wüssten sie, dann würden sie hassen,
Und verhindern, was ich ihnen von will.
Gott im Wald
Hier draußen in den Randgebieten,
Wo der Geist der Metropole mit
Dem Gott des Waldes ringt,
Wo die Bäume höher wachsen
Als den grauen Häusern es gelingt.
Hier gedeihen noch ganz natürliche Mythen.
Wenn graugelb der Morgen durch die Wolken bricht.
Auf allen Flächen ein Nebel liegt und
öliger Regen sanft versiegt.
In diesem fahlen Dämmerlicht
Taucht er dann manchmal auf:
Der Gott des Waldes.
Schält sich knirschend aus dem Holz.
Und aus den hohen Kronen schallt es:
Ihm folgt sein Getier mit wildem Stolz.
Krähen krächzen, Eulen schrei‘n.
Sind höchstens Schatten in dem Grau
Doch folgen seinem Ruf, dabei zu sein.
Und so leert sich Nest und Bau.
Bricht ächzend durch die Mauerhecken,
Schwein und Reh und Fuchs und Has‘.
Man hört von drinnen ihr Zähneblecken.
Es bleiben Spuren im feuchten Gras.
So fleucht es durch die Häuserschluchten,
Während der Gott sein Reich bereist.
Er lässt es sprießen, wachsen, wuchern.
'Beton wird brechen', sagt er leis.
Es bleiben Risse nach solcher Reise,
Gefüllt mit Samen bis zum Rand.
Nun braucht es Zeit und nach dem Kreise
Sprießen Triebe aus der Wand,
Verschließen sich getretene Pfade,
Bricht der Teer über Wurzeln auf.
Der Gott ist langsam mit seiner Gabe,
Aber mächtig in seinem Lauf.
Als der Tag dann licht genug
Sieht der Geist den Schaden.
Teeren, schneiden, mörteln, jagen,
Reparieren wie im Flug
Die Menschen und Maschinen,
Die dem Geist als Gegenwehr dienen.
So wogt das Ringen vor, zurück,
Verschiebt die Grenze kaum ein Stück.
Und kaum gewonnen, wird's genommen.
Wie ist's gut und wie ist's schlecht.
Geist und Gott im Widerstreit.
Beide wähnen sich im Recht
Und einer ist des anderen Leid.
Der Gott dröhnt: ich war lange hier,
Bevor die deinen dich erschufen.
Wald und Wasser und Getier
Folgen meinem Rufen.
Schau, was für ein Parasit Du bist,
Das Leben stirbt Dir in der Hand.
Aber: Alles, was gegen die Natur ist,
Hat auf Dauer keinen Bestand.
Dem Geiste deucht, der Gott hat Recht,
Die Zeit hier ist sein größter Feind.
Will er's wandeln, muss er schnell handeln:
Und verbrennt den Gott des Waldes
Bis zum letzten Stock und Stein.
1 Kommentar:
Sehr schön geschrieben. Ich finde es toll und fühle es.
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