Das Baumschiff

Das Baumschiff

Zum Leben wiedererwacht, mit den
ersten kleinen, zarten Knospen.
Der Schnee ist gerade erst gegangen
und im Frühlingssturm wiegen
die fast noch kahlen Äste.

Ein Blütenmeer auf einem hölzernen Schiff,
das durch die ersten warmen Wochen treibt
und die Vögel wie Möwen umfliegen es.
Die Blätter verhüllen die Takelage
wie stramm gespannte, grüne Segel.

Die erste Flaute dann im Sommerlicht,
die Hitze, die Dürre und kein Ast,
kein Blatt bewegt sich in der Mittagszeit.

Die Segel hängen schlaff und trocken,
doch Schatten spendend dem Segler zu.

Im Sturm, im Regen dann bedrohlich
wankt der ganze Kahn und fast
brechend biegen sich die Masten
im nebligen Herbstwind irgendwann.

Wieviele Herbste wird er noch fahren?

Der Sturm reißt dann die Blätter weg,
nimmt sie mit sich wie zerrissene Segel
und übrig bleiben kahle Äste,
daß selbst der Käpt’n und die Crew
überstürzt das hölzerne Deck verlassen.

Der Schnee legt sich wie Balsam sanft
dann auf die Wetter gegerbte Schiffshaut
und bald strahlen selbst verlassende Äste
und warten wie das Schiff auf’s neue Leben.


Fanal!

Im Sturm das Schiff kurz vor dem Sinken,
die Masten und das Ruder vom Sturm zerstört,
treibt weiter, und wird das salzige Wasser trinken,
wenn der Kapitän das Leben nicht mehr begehrt.

Der steht als Letzter auf der Brücke,
sein Blick ins Meer bleibt ungewiß,
doch klar wird der Letzte seiner Blicke,
hebt sich von der Wellen weiße Gischt.

Und sieht unterm Horizont einen Streifen Berge,
eine raue Vision von Schottland's Küste.
'Ich werde es versuchen, auch wenn ich sterbe,'
schreit er Gott zu; als ob der's nicht wüsste.

Die schwarze Fahne erscheint groß und voll,
weht vom Heck dem Scheitern entgegen.
Der Käpt'n weiß, dass er geht, wenn's so soll,
doch vielleicht lacht ihm wieder des Glückes Segen.

Und kämpft und kämpft und bleibt und steht.
Da verschwinden die hohen Welle leise,
alles, was bleibt, ist ein goldener Weg
und ein Wind mit einer lieblichen Weise.

Erreicht das Land im Abendsonnenmeer,
hört, wie fernes Glockenläuten klingt.
Sein Herz ist glücklich, nur sein Atem noch schwer
Und hinter ihm, spürt er, wie sein Schiff versinkt.


Realität, nur anders beschienen

Mein Nest in den Bäumen ermöglicht mir vieles
- ein Nichtbemerken meiner Selbst -
während unter mir zwei Zauberinnen wandern
und über mir ein Sturmvogel kreischt.

Der Nachtwind bringt was Neues mit sich,
filigran nur der Geruch als Abstrakt dabei.
Doch ich riech es, spür es und seh es vor mir:
Ein neuer Tag ist nicht mehr weit.

Die Morgensonne wird brutal golden
Über der alten Silhouette stehn,
wird alles hier in Feuer hüllen
und dann ihrer Wege ziehn.

Realität, dieselbe, nur anders beschienen
Und ich hier oben, in meinem Nest,
während unter mir einsam das Leben altert
und frisst sich fest und fest und fest.


Unsere Reise zur Tir nan og
(Das Baumschiff II)

Bergetiefer Ozean,
knapp über dem Grunde fliegen wir,
hinauf durch die Thermik,
im Kreisen den Blick nach überall.

Wir sitzen im Baumhaus,
der alte Kahn ist längst schon abgebaut.
Du blickst mich an, Deine Stirn ganz kraus,
doch ich beruhig Dich:
der Sturm hat abgeflaut.

Doch ein Gedanke ist in mir schon länger:
Was passiert, wenn nun nur die Ruhe vor dem Sturm -
die Stille wartet? Der Sturm ist ein ewiger Dränger.

Und schon fegt ein Sturm über das Meer,
da Deck hebt und senkt sich schwer.
Und die Blätter singen wieder ihr Lied,
ein Einzelnes, das losgelöst davon im Stürmen flieht.

Schnell brach er los,
meterhoch sind jetzt die Wellen.
Unser Baumhaus weht im Sturm,
unsere Segel beginnen hin und her zu schnellen.

Das Knarren des Schiffes
Im Sturm, der bellt.
Mit der Wurzel verankert,
treibt es durch die Welt.

Und wenn wir brechen
Ist alles vorüber,
das Meer wird uns verschlingen.
Wir nehmen nichts mit rüber.

Doch wir sind durch,
den Sturm im Rücken.
Du rufst mir zu, endlich
Den letzten Weg zu überbrücken.

Dann liegen wir fest am Ufer,
die Zeit wird endlos hier.
Wir packen unsere Sachen
Und ich verlasse das Baumhaus
hinter Dir.


Der graue Fährmann

Wir hatten noch über den Fährmann gelacht,
als eine Figur aus einem Märchen der Nacht,
während wir saßen, am Fluß und zu später Zeit
und unser Weg heim erschien uns zu weit.

Da beschlossen wir: wir schlafen heute Nacht am Fluß,
besiegelten das Ganze mit einem Kuß
und legten uns dann am feuchten Ufer schlafen,
in der Hoffnung, dass wir uns im Traume wiedertrafen.

Doch mitten in der Nacht bin ich aufgewacht
und vor mir steht eine Gestalt, die leis lacht
und wie im Bann zieht sie mich aufs Boot.
Du warst schon fort und ich dachte tot.

Der Fährmann sang leise
eine ganze, ganz alte Weise
und wir trieben ins Nichts,
fern jeden Lichts.

Es verschwand die Stadt mitsamt ihren Mauern
und ihren Türmen und den Wachen, die darauf lauern.
Es umgab uns nur noch der Wildheit Natur
und von keinem menschlich Wesen eine Spur.

Das Wasser zog ruhig am Boote entlang,
ich schöpfte mir sanft des Gewässers Trank
und über uns glitten die Sterne dahin
und spiegelten sich unter uns im wässernen Zinn.

Der Fährmann sang leise
auf seine ganz eigene Weise
und wir trieben voran
in einem mystischen Bann.

Erreichten das Ufer, willkommen von Feuern,
bevölkert von Elfen und Ungeheuern.
Sie waren allesamt Wesen der Nacht
und in ihrer Mitte hat laut gelacht
der Gott des Chaos, der Herr der Nacht.

Der Fährmann fuhr leise
zurück auf die Weise,
auf die er erst hergekommen war.
Und ich stahl mich leise in des Festes Kreise
Und tanzte mit Dir bis es morgen war.